Wissenswertes über Lehm als Baustoff

gesiebter Rohlehm

Lehm ist eine sehr häufig vorkommende Bodenart. Sie findet sich oft direkt unterhalb der oberen Humus- oder Mutterbodenschicht. Besonders in Bach- oder Flussauen, aber auch dort, wo in den Eiszeiten Gletscher die Landschaft verändert und ihre Fracht abgeladen haben, ist Lehm abgelagert. Es handelt sich dabei um ein Gemisch aus Tonerde, Sand und Gesteinsmehl (Schluff genannt). Die Materialeigenschaften variieren je nach Zusammensetzung und Lagerstätte. Um zu prüfen, ob der Rohlehm als Baustoff geeignet ist, sollte zunächst immer  eine einfache „Lehmprobe“ gemacht werden:

Mit ein wenig Wasser wird eine handvoll Lehm zu einer plastischen Masse gut verknetet. Man formt daraus eine Kugel von ca. 5 cm Durchmesser und drückt diese auf 2 cm flach. Auf dem Fensterbrett oder an der Heizung sollte diese in 1 bis 2 Tagen völlig durchgetrocknet sein. Wenn die Probe keine Risse bekommen hat, die Oberfläche relativ abriebfest ist und eine gute Druck- und Bruchfestigkeit zu erkennen ist, kann dieser Lehm dieser Fundstelle zu Baustoff weiter verarbeitet werden. Andernfalls sollte man weiter suchen oder durch natürliche Zuschlagstoffe die Materialeigenschaften des Lehms verbessern.

Aufbereitung des Rohlehms: Baulehm sollte eine einheitliche Konsistenz und Korngröße besitzen. Nur so lässt er sich gut verarbeiten und liefert eine gleichbleibende Qualität. Ein Sieb mit einer Maschenweite von 6 mm sorgt dafür, die Steine, Tonklumpen und Pflanzenteile aus zu sortieren. Übrig bleibt eine gleichmäßig krümelige Lehmmasse, die als Ausgangsstoff für Bauarbeiten oder zur Herstellung von Lehmziegeln und Spezialmischungen dient. Wir benutzen zur Lagerung und Aufbewahrung Eimer mit Deckeln. Die lassen sich gut handhaben und dienen auch als Maßeinheit für die Mischungsrezepte. In einem Eimer wird der Lehm auch nicht durch sein Eigengewicht komprimiert und verklumpt.

Zuschlagstoffe: Um dem Lehm spezielle Eigenschaften zu verleihen, werden ihm entsprechende natürliche Zuschläge beigefügt. Damit sind natürlich keine Chemikalien oder Baumarktprodukte gemeint – die braucht es nämlich nicht. Zuschlagstoffe sollten möglichst separat gelagert werden und erst beim Herstellungsprozess nach Rezept zur Mischung hinzu gefügt werden. So bleibt alles frisch und es kommt nicht zu unerwünschten Reaktionen bei der Lagerung. Eine Ausnahme bildet dabei eigentlich nur der Sand, der nötigenfalls zum Abmagern von sehr fetten Lehm beigemischt wird.

Häckselstroh (am besten Roggenstroh) wird für die Herstellung von Leicht-Lehmziegeln und Unterputz beigefügt. Es dient der Isolierung und sorgt für eine weitgehend Schwindriss-freie und rasche Trocknung größerer Flächen. Lehm und Stroh bilden dabei ein  Komposit – zwei Komponenten ergänzen sich zu einem Material, das die guten Eigenschaften von beiden vereint (wie bei Stahlbeton oder Glasfaserkunststoff). Mit der Zuschlagmenge muss immer etwas experimentiert werden. Ein getrockneter Unterputz hat einen Strohanteil von etwa einem Viertel der Raummasse, in einem Leicht-Lehmstein kann der Stroh-Anteil auch deutlich höher sein. Übrigens ist es nicht ungewöhnlich, wenn beim Trocknen von Strohlehm kleine keimende Pflänzchen aus der Oberfläche heraus sprießen – beim Durchtrocknen sterben die wieder ab und die kleinen Wurzelfasern sorgen dann bestenfalls noch für eine zusätzliche Oberflächen-Verfestigung. Das ist halt Natur.

Sand ist nicht gleich Sand. Er wird neben der Korngröße unterschieden in grobkörnig (gebrochen) und rundkörnig. Grobkörniger Sand wird „fettem“ Lehm (mit hohem Tonanteil) beigemischt, um das Schwinden und Reißen der Oberflächen zu reduzieren (Lehm „abmagern“). Die ganz natürlichen Trockenspannungen des Materials brechen sich dann an den Sandkörnern und werden umgeleitet. Auch die Mischbarkeit wird durch Sandzugabe verbessert. In Feinputz, mit dem glatte Oberflächen gestaltet werden sollen, ist ein rundkörniger Sand als Zuschlag besser geeignet, muss aber „sparsam“ eingesetzt werden, um keine Sand abgebende Oberfläche zu hinterlassen. Rundkörniger Sand ist bei der Lehmstein-Herstellung auch einsetzbar, um die Streichformen damit vor dem Einfüllen der Lehmmasse zu Besanden (wie das Bestreuen einer Kuchenform mit Paniermehl). Die Rohlinge lassen sich dann einfacher aus der Form drücken und bleiben maßhaltiger.

Ziegelsplitt ist ein guter Zuschlagstoff für die Herstellung von besonders feuerfestem Lehm. Ziegel ist ja nichts anderes als Lehm, der bei sehr hohen Temperaturen bereits gebrannt worden ist. Als beigefügter Splitt reduziert er das Schrumpfen und die Rissbildung des Lehmbaustoffs im Brennraum. Er sorgt auch für eine raschere und gleichmäßigere Trocknung der frischen Bauteile, seien es Mörtelfugen oder Lehm-Verputz. Im Feuerraum sollten grundsätzlich keine organischen Zuschläge (wie Stroh) verwendet werden. Sie würden zwar nicht verbrennen, aber durch Verschwelen und Ausgasen würden kleine Hohlräume entstehen, die die Struktur der Oberflächen und Bauteile schwächen und zu Abplatzungen führen. Bei Ziegelsplitt als Zuschlag besteht diese Gefahr überhaupt nicht.

Fein-Häckselstroh (im Lipperland regional als „Kaff“ bezeichnet) hat keine sperrigen Halm-Anteile mehr, sondern nur feine und kurze Fasern mit einem fast staubartigen Anteil von zermahlenem Stroh. Beim Lagern von Häckselstroh sammelt es sich üblicherweise von allein am Boden des Lagerbehältnisses und muss nur etwas „ausgepuhlt“ oder gesiebt werden. Es kann gut in einer Feinputz-Mischung mit eingearbeitet werden. Das Glätten der Oberflächen mit dem Schwammbrett wird dadurch deutlich einfacher. Die Rissbildung beim Trocknen wird erheblich geringer und der Trocknungsprozess wird beschleunigt. Da sich nach dem Abreiben und Trocknen ein markanter Anteil von Zellulose-Fasern an der Putz-Oberfläche befindet, ist auch eine bessere Anhaftung eines Anstrichs (wie mit Quark-Kalk-Dispersion) gewährleistet.

Kalkhydrat (oder Löschkalk) kann als Zuschlag von feinem Lehmputz eingesetzt werden, um damit eine Trägerschicht für den abschließenden mineralischen Verputz im Außenbereich herzustellen. Das Lehm-Kalk-Gemisch wird per Traufel und Quast als dünne Lage vollflächig und formschlüssig auf das Lehm-Gefach aufgetragen. Es sollte ein paar Tage trocknen und abbinden, bevor es weiter bearbeitet wird. Ein zusätzlicher Anstrich mit Kalkmilch (das ist mit Wasser verdünnter, streichfähiger Löschkalk) erhöht die Bindung zwischen Lehmgefach und Kalkmörtel. Die Bestandteile des Lehms „versintern“ durch die Kristalisation des Kalks. Die Abriebfestigkeit der Oberfläche wird erhöht und die Wasserlöslichkeit reduziert. Auch im Innenbereich kann Kalkmilch entweder als Schlussanstrich oder als Grundierung für eine Kalk-Dispersionsfarbe benutzt werden.

Fortsetzung folgt!

Über Bruno 109 Artikel
Bruno Rischmüller-Affeldt, seit Ende 2020 im Unruhestand, davor: UNkonventionell Projektleitung

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